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Akteneinsichtsrecht für Stadtratsmitglieder

Die Bayerische Gemeindeordnung (GO) regelt Aufbau, Struktur, Zuständigkeit sowie Rechte und Pflichten der kommunalen Organe sowie der einzelnen Mandatsträger. Ferner finden sich darin die gesetzlichen Regelungen zur Verwaltung der Gebietskörperschaften sowie zum Geschäftsgang in den kommunalen Gremien. In Artikel 45 GO ist u. a. festgelegt: (1) Der Gemeinderat gibt sich eine Geschäftsordnung.

Der neu gewählte Schongauer Stadtrat hatte den Erlass der Geschäftsordnung am 7. Juli 2020 auf der Tagesordnung und stimmte in dieser Sitzung mehrheitlich (20:3) dem Antrag der ALS zu, das Akteneinsichtsrecht in §3 Abs. 5 der Geschäftsordnung folgendermaßen zu regeln:

Stadtratsmitglieder haben ein Recht auf Akteneinsicht. Zur Vorbereitung von Tagesordnungspunkten der nächsten Sitzung erhält jedes Stadtratsmitglied nach vorheriger Terminvereinbarung das Recht zur Einsicht in die Unterlagen, sofern Gründe der Geheimhaltung nicht entgegenstehen.“

Nach Auffassung der Verwaltung verstieß dieser Beschluss gegen Art. 30 Abs. 3 der Gemeindeordnung. Bürgermeister Sluyterman wies darauf hin, dass er den Beschluss gemäß Art. 59 Abs. 2 der Gemeindeordnung beanstanden und ihn der Rechtsaufsicht zur Prüfung vorlegen werde.

Mit Schreiben vom 20.07.2020 gab die Rechtsaufsicht ihre Stellungnahme ab und bestätigte, dass in der Gemeindeordnung kein allgemeines Akteneinsichtsrecht für Stadträte geregelt sei, aber: „In der Geschäftsordnung kann ein Akteneinsichtsrecht zu Gunsten einzelner Stadtratsmitglieder zur Sitzungsvorbereitung eingeräumt werden sofern Geheimhaltungsgründe nicht entgegenstehen. Die Vorschrift des §3 Abs 5 Satz 2 der Geschäftsordnung ist daher zulässig. Wir empfehlen jedoch das Wort »Unterlagen« durch »entscheidungserhebliche Unterlagen« zu konkretisieren, entsprechend der Mustergeschäftsordnung des Bayer. Gemeindetages.“

Zur Erklärung:
Die Mustergeschäftsordnung des Bayer. Gemeindetages ist nur als Hilfestellung bei der Erstellung einer Geschäftsordnung gedacht: „Selbstverständlich steht es jedem Gemeinderat frei, auch eigenständige Regelungen vorzusehen, solange dabei die Vorgaben der Ge-meindeordnung und der Rechtsprechung hierzu beachtet werden“, heißt es im Vorwort einer Mustersatzung.

Obwohl die Rechtsaufsicht keine Rechtswidrigkeit feststellte und lediglich eine Konkretisierung empfahl, wurde in der Stadtratssitzung am 15. September die Beschlussfassung vom 07.07.2020 mit knapper Mehrheit (13:11 Stimmen) aufgehoben. Schade! Damit war das Recht auf ein allgemeines Akteneinsichtsrecht jedes einzelnen Stadtratsmitglieds leider wieder abgeschafft.

Für Diskussion sorgte dann noch das Wort »entscheidungserheblich«.
„Wer definiert, was entscheidungserheblich ist?“ Diese Frage stellte Nina Konstantin und plädierte dafür, diese Einschränkung wegzulassen, da es sich ja lediglich um eine Empfehlung der Rechtsaufsicht gehandelt habe.
Gregor Schuppe fügte noch hinzu, die Formulierung ohne »entscheidungserheblich« habe nichts mit Misstrauen zu tun, meinte jedoch: „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser!“

Einstimmig sprach sich der Stadtrat schließlich dafür aus, dieses Wort wegzulassen und die Formulierung wie folgt in die Geschäftsordnung aufzunehmen.

Stadtratsmitglieder, die eine Tätigkeit nach Absatz 3 und 4 ausüben haben ein Recht auf Akteneinsicht innerhalb ihres Aufgabenbereichs. (Anmerkung: Damit sind die verschiedenen Referenten gemeint) Zur Vorbereitung von Tagesordnungspunkten der nächsten Sitzung erhält jedes Stadtratsmitglied das Recht zur Einsicht in Unterlagen, sofern Gründe der Geheimhaltung nicht entgegenstehen. Im Übrigen haben Stadtratsmitglieder ein Recht auf Akteneinsicht, wenn sie vom Stadtrat durch Beschluss mit der Einsichtnahme beauftragt werde. Das Verlangen zur Akteneinsicht ist gegenüber dem ersten Bürgermeister geltend zu machen.“

Laut Verwaltung muss diese Formulierung allerdings nochmals der Rechtsaufsicht vorgelegt werden.

Nina Konstantin

Hierzu auch ein Leitsatz aus einem Urteil des Verwaltungsgerichts München:
VG München, Urteil v. 12.12.2018 – M 7 K 18.452

Titel: Zum Akteneinsichtsrecht eines einzelnen Gemeinderatsmitglied
Normenketten: BayGO Art. 45, Art. 46, Art. 48 Abs. 1 S. 1, Art. 102 Abs. 4, Art. 103 Abs. 1, Art. 106 Abs. 1

Geschäftsordnung Gemeinderat § 3 Abs. 5
Die Geschäftsordnung des Gemeinderats kann dem Gemeinderat oder einzelnen Gemeinderatsmitgliedern weitergehende als in der Gemeindeordnung zugewiesene individuelle Informationszugangsrechte einräumen, sofern dadurch nicht die in Art. 37 BayGO festgelegten gesetzlichen Befugnisse des ersten Bürgermeisters eingeschränkt werden.

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