Demokratie lebt vom politischen Streit der Parteien. Dieser Streit muss öffentlich stattfinden. Politische Systeme, in den dieser Streit hinter verschlossenen Türen ausgetragen wird, um der Bevölkerung dann die eine, richtige Lösung zu präsentieren, sind undemokratisch, Vorbild dieses „harmonischen“ Weges ist die chinesische Staatsführung.
Leider ist es für viele Bürger unsere „Streitkultur“ immer noch schwer erträglich. Aber sie ist für ein demokratisches Staatswesen unabdingbar. Nur wenn die verschiedenen Parteien auch klare, unterschiedliche Interessen öffentlich vertreten, kann der Wähler mit seiner Wahlentscheidung politische Veränderungen bewirken oder, falls er sich in keiner Partei vertreten fühlt, mit Gleichgesinnten eine neue Partei gründen.
Einigen sich Parteien in Hinterzimmern auf gemeinsame Positionen, berauben sie den Wähler seiner Macht: er darf nicht mehr mitentscheiden, er darf nur noch „ja“ sagen. Unzufriedenheit führt dann nicht mehr zur Abwahl einzelner Parteien, sondern zur Ablehnung des gesamten politischen Systems.
Aktuell ist diese Tendenz in der Bundespolitik ja bereits sichtbar: die Unzufriedenheit mit der „großen Koalition“ bringt der AFD noch vor kurzem kaum für möglich gehaltenen Zulauf.
Auf kommunaler Ebene, die den Bürgern oft näher ist als die Bundespolitik, muss daher eine funktionierende Demokratie vorgelebt werden: mit offenem, aber fair ausgetragenem Streit in der Sache. Je nach Sachverhalt kann der Ergebnis ein guter Kompromiss sein, aber wo kein Kompromiss möglich ist, muss es auch Gewinner und Verlierer geben. Nur so weiß der Wähler bei der nächsten Wahl, wer wofür verantwortlich ist und eine Partei, die die Erwartungen ihrer Wähler nicht erfüllt, bekommt die Quittung dafür. Gerade bei Entscheidungen, die nicht auf ungeteilte Zustimmung stoßen, dürfen sich die Parteien nicht hinter einem vorab verabredeten Konsens verstecken, sondern müssen für ihre Position gerade stehen.
Volksvertreter und Wirtschaftsinteressen
„Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.“
(Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, Art. 20 (2)
Die gewählten Volksvertreter, auf kommunaler Ebene also Räte und Bürgermeister, vertreten die Interessen der Bürger. Es ist nicht ihre Aufgabe, die Interessen der Wirtschaft zu vertreten.
Das Interesse insbesondere der Kapitalgesellschaften ist es, den Anteilseignern eine möglichst hohe Rendite zu sichern. Aufgabe der Politik muss es sein, hier Grenzen zu setzen, in dem durch Steuern und Abgaben ein angemessener Teil der Erträge der Bevölkerung zu Gute kommt:
„Die gesamte wirtschaftliche Tätigkeit dient dem Gemeinwohl, insbesonders der Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins für alle und der allmählichen Erhöhung der Lebenshaltung aller Volksschichten.“
Verfassung des Freistaates Bayern, Art. 151 (1)
Die Frage, wie durch Steuern und Abgaben der Reichtum im Staat verteilt wird, ist eine der grundsätzlichsten Fragen einer Gesellschaft. Die Diskussion darüber muss offen und transparent geführt werden. Ein Aushandeln zwischen ausgewählten Gruppen ohne Beteiligung der Öffentlichkeit kann und darf es keinesfalls geben.