Schon seit etwa 20 Jahren wird aus den Reihen der Alternativen Liste Schongau jährlich der Antrag auf Erhöhung des Gewerbesteuer-Hebesatzes gestellt, um die Einnahmesituation der Stadt zu verbessern. Anfangs hieß es bei den Abstimmungen: „Eine Stimme der ALS dafür – alle anderen dagegen“. Doch im Lauf der Jahre wuchs langsam die Zahl der Befürworter einer Erhöhung. Für das Haushaltsjahr 2016 wurde dann erstmals eine Anhebung des Hebesatzes auf 380 Prozentpunkte mit 12:11 Stimmen beschlossen. Für die Anhebung waren alle 5 Ratsmitglieder der ALS-Fraktion, 6 aus der SPD, 1 aus der UWV. Dagegen stimmten die 8 Mitglieder der CSU-Fraktion, 2 aus der UWV und der Bürgermeister.
Wir wissen nicht, warum die Entscheidung gerade in diesem Jahr so ausgefallen ist.
Vielleicht aufgrund der Tatsache,
- dass auch der Gemeindetag den Städten und Gemeinden eine Erhöhung auf dieses Niveau nahegelegt hat;
- oder weil viele andere Orte im Umkreis von Schongau dies bereits getan hatten;
- oder die Tatsache, dass aufgrund der schlechten Finanzsituation der Stadt Schongau der Haushalt 2015 fast nicht genehmigt worden wäre;
- oder einfach die Einsicht, dass eine neue Grundschule, der Unterhalt des Schwimmbads usw. ohne Mehreinnahmen nicht zu machen sind;
- oder vielleicht auch nur deshalb, weil 2 Stadträte bei dieser Sitzung fehlten.
In einem Schreiben an alle Gewerbetreibenden in Schongau begründet Bürgermeister Sluyterman die Anhebung des Gewerbesteuer-Hebesatzes ausführlich, drückt jedoch auch sein Bedauern aus, dass er dieses Thema nicht vorab habe mit Firmenvertretern besprechen können.
Kurz danach kam dann prompt Kritik aus den Reihen der Gewerbesteuerzahler, insbesondere von großen Firmen (Kapitalgesellschaften), denn Personengesellschaften wie z. B. Einzelunternehmen und Handwerksbetriebe werden durch diese Erhöhung nicht stärker belastet. In einem an Bürgermeister & alle Stadträte gerichteten Schreiben teilte eine Firma unverblümt mit, dass die Stadt aufgrund dieses Beschlusses mit negativen Auswirkungen auf den Standort Schongau rechnen müsse. Der Brief endete mit folgendem Satz: „Wir appellieren an Sie, Ihre Entscheidung zur Erhöhung des Hebesatzes kritisch zu prüfen und zu revidieren.“
Auf Initiative von Bürgermeister Sluyterman fand schließlich am 12. Juli 2016 ein Treffen zum Meinungsaustausch über die Erhöhung des Gewerbesteuer-Hebesatzes mit geladenen Vertretern von betroffenen Unternehmen und Vertretern der Stadtratsfraktionen statt.
In der Pressemitteilung über dieses Treffen schreibt Bürgermeister Sluyterman: „Da die Erhöhung im Februar mit einer äußerst knappen Mehrheit von 12 zu 11 Stimmen gegen den ausdrücklichen Wunsch des Bürgermeisters beschlossen worden war, ist es nun dessen erklärtes Ziel, für die nächste Debatte einen breiten Konsens vorzubereiten.“
Zum gleichen Thema veröffentlichte unser ALS-Mitglied Markus Keller bereits am 2. Mai auf unserer Homepage folgende Texte:
Für eine offene Diskussion zum Gewerbesteuer-Hebesatz
Demokratie lebt vom politischen Streit der Parteien. Dieser Streit muss öffentlich stattfinden. Politische Systeme, in den dieser Streit hinter verschlossenen Türen ausgetragen wird, um der Bevölkerung dann die eine, richtige Lösung zu präsentieren, sind undemokratisch, Vorbild dieses „harmonischen“ Weges ist die chinesische Staatsführung.
Leider ist es für viele Bürger unsere „Streitkultur“ immer noch schwer erträglich. Aber sie ist für ein demokratisches Staatswesen unabdingbar. Nur wenn die verschiedenen Parteien auch klare, unterschiedliche Interessen öffentlich vertreten, kann der Wähler mit seiner Wahlentscheidung politische Veränderungen bewirken oder, falls er sich in keiner Partei vertreten fühlt, mit Gleichgesinnten eine neue Partei gründen.
Einigen sich Parteien in Hinterzimmern auf gemeinsame Positionen, berauben sie den Wähler seiner Macht: er darf nicht mehr mitentscheiden, er darf nur noch „ja“ sagen. Unzufriedenheit führt dann nicht mehr zur Abwahl einzelner Parteien, sondern zur Ablehnung des gesamten politischen Systems.
Aktuell ist diese Tendenz in der Bundespolitik ja bereits sichtbar: die Unzufriedenheit mit der „großen Koalition“ bringt der AFD noch vor kurzem kaum für möglich gehaltenen Zulauf.
Auf kommunaler Ebene, die den Bürgern oft näher ist als die Bundespolitik, muss daher eine funktionierende Demokratie vorgelebt werden: mit offenem, aber fair ausgetragenem Streit in der Sache. Je nach Sachverhalt kann der Ergebnis ein guter Kompromiss sein, aber wo kein Kompromiss möglich ist, muss es auch Gewinner und Verlierer geben. Nur so weiß der Wähler bei der nächsten Wahl, wer wofür verantwortlich ist und eine Partei, die die Erwartungen ihrer Wähler nicht erfüllt, bekommt die Quittung dafür. Gerade bei Entscheidungen, die nicht auf ungeteilte Zustimmung stoßen, dürfen sich die Parteien nicht hinter einem vorab verabredeten Konsens verstecken, sondern müssen für ihre Position gerade stehen.
Volksvertreter und Wirtschaftsinteressen
„Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.“
(Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, Art. 20 (2)
Die gewählten Volksvertreter, auf kommunaler Ebene also Räte und Bürgermeister, vertreten die Interessen der Bürger. Es ist nicht ihre Aufgabe, die Interessen der Wirtschaft zu vertreten.
Das Interesse insbesondere der Kapitalgesellschaften ist es, den Anteilseignern eine möglichst hohe Rendite zu sichern. Aufgabe der Politik muss es sein, hier Grenzen zu setzen, in dem durch Steuern und Abgaben ein angemessener Teil der Erträge der Bevölkerung zu Gute kommt:
„Die gesamte wirtschaftliche Tätigkeit dient dem Gemeinwohl, insbesonders der Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins für alle und der allmählichen Erhöhung der Lebenshaltung aller Volksschichten.“
Verfassung des Freistaates Bayern, Art. 151 (1)
Die Frage, wie durch Steuern und Abgaben der Reichtum im Staat verteilt wird, ist eine der grundsätzlichsten Fragen einer Gesellschaft. Die Diskussion darüber muss offen und transparent geführt werden. Ein Aushandeln zwischen ausgewählten Gruppen ohne Beteiligung der Öffentlichkeit kann und darf es keinesfalls geben.
Diese Texte bringen die Haltung der Alternativen Liste Schongau zur Gewerbesteuer klar auf den Punkt.
Die Stadtratsmitglieder der ALS werden auch bei einer erneuten Abstimmung des Gewerbesteuer-Hebesatzes weiterhin ihre Position klar vertreten. Sollte eine Mehrheit für die Absenkung stimmen, sehen wir das nicht als Niederlage für die Alternative Liste, sondern als finanziellen Schaden für die Stadt Schongau.
Gregor Schuppe, 1. Vorsitzender der ALS
Nina Konstantin, Vorsitzende der ALS-Stadtratsfraktion
Diese Darstellung lieber Gregor solltet Ihr auf welcche Weise auch immer verbreiten. Ein Zugehen auf ddie Unternehmerseite ist nicht angebracht.